Nachruf auf Beatrix Piezonka (1959–2019)

Foto: Patty Varasano (Mainpost)

„Immer sind es die Menschen,

Du weißt es.

Ihr Herz ist ein kleiner Stern
der die Erde beleuchtet.“

Rose Ausländer

Seit fast zehn Jahren war Beatrix Piezonka uns Provenienzforscher*innen Kollegin, Mitstreiterin und manchen auch Freundin. Ihren beruflichen Werdegang startete sie aber in einem anderen Bereich: Geboren und aufgewachsen in Hamburg, absolvierte sie nach dem Abitur zunächst eine Ausbildung zur Verlagsbuchhändlerin beim Rowohlt-Verlag. Daran anschließend studierte sie Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Mittlere und Neuere Geschichte sowie Ethnologie an der Hamburger Universität. Mit der Arbeit „Kupfermühlen zwischen Hamburg und Lübeck. Eine Regionalstudie der technologischen und ökonomischen Bedingungen des vorindustriellen Kupfergewerbes“ erlangte sie 1985 die Würde einer Magistra Artium (M.A.). In der Folge wirkte sie als Historikerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin u.a. am Museum für Hamburgische Geschichte, am Haus der Geschichte Baden-Württemberg und auch am Deutschen Historischen Institut in Paris.

Weitere Stationen in Beatrix‘ Berufsleben waren von 1991 bis 1996 die J. W. Goethe-Universität, Frankfurt/Main und die Universität GH Siegen, wo sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin für das DFG-Projekt „Sozialisation in Frauentagebüchern. Diaristinnen im Generationenvergleich vom Wilhelminischen Kaiserreich bis zur Gegenwart“ forschte. In den Jahren 1997 bis 2002 gehörte Beatrix zum Kuratorenteam der Dauerausstellung „MainMetropole. Frankfurter Stadtgeschichte 1866-2001“, die 2004 am Historischen Museum Frankfurt/Main eröffnet wurde.

Im Rahmen ihrer (verschiedenen) wissenschaftlichen Tätigkeiten publizierte Beatrix zu Themen der Wirtschafts-, Frauensozial-, Arbeiter und Regionalgeschichte (u.a. in Hamburg u. Frankfurt a.M.), bevor sie 2011 zur Provenienzforschung kam. Sie war von Beginn an in der Arbeitsgruppe der Provenienzforscherinnen im Rhein-Main-Gebiet sowie im Arbeitskreis Provenienzforschung eng vernetzt und gehörte so auch 2014 in Bremen zu den Gründer*innen des Vereins „Arbeitkreis Provenienzforschung e.V.“.

In ihrem ersten, von der Arbeitsstelle für Provenienzforschung von 2011 bis 2014 geförderten Projekt zur systematischen Provenienzforschung am Deutschen Ledermuseum Offenbach, weitete Beatrix Piezonka den Blick von der frühen Fokussierung auf Kunstwerke hin zu kulturhistorischen, kunstgewerblichen und ethnologischen Objekten. Über die reine Objektbiographie hinaus lieferten Beatrix‘ Recherchen auch wichtige Erkenntnisse zur Institutionen- und Personengeschichte des Museums während der NS-Zeit. Sie legte damit wertvolle Grundlagen für das Haus und dessen weitere Beschäftigung mit seiner Geschichte.

Seit November 2014 erforschte Beatrix nun mit der ihr eigenen Sorgfalt und Genauigkeit am Museum im Kulturspeicher Würzburg die Geschichte des Sammlungsbestands (Gemälde, Skulptur und Grafik) der 1941 gegründeten Städtischen Galerie in Würzburg, der Vorgängereinrichtung des heutigen Museums.

Immer legte Beatrix großen Wert auf die adäquate Vermittlung der Forschungsergebnisse und unserer Arbeitsmethoden im Allgemeinen. Bestes Beispiel dafür ist ihre Ausstellung „Herkunft und Verdacht. Provenienzforschung am Museum im Kulturspeicher Würzburg. Die Zugangsjahre 1941 bis 1945“ und der dazu erschienene Katalog. In ihm werden gleichermaßen die Ergebnisse ihrer jahrlangen Recherchen dokumentiert wie auch die Desiderata der Forschung benannt. Mit Führungen und Vorträgen trug Beatrix wesentlich zur Vermittlung und Verbreitung der Kenntnisse zur Provenienzforschung in der Öffentlichkeit wie auch zur Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses bei. Im Zusammenhang mit den von ihr betreuten
Projekten in Offenbach und Würzburg aber auch darüber hinaus, war Beatrix wiederholt an Tagungen und Publikationen beteiligt.

Aus den Arbeiten an ihrer Ausstellung in Würzburg, die bis zum 28. April 2019 im Kulturspeicher in Würzburg gezeigt worden war, entstand eine Zusammenarbeit mit dem Lentos Kunstmuseum Linz, die in ihrem Beitrag zum Ausstellungskatalog „Wolfgang Gurlitt. Zauberprinz“ mündete. Die Ausstellung zu Person und Handeln des Kunsthändlers wird ab Februar 2020 ebenfalls im Kulturspeicher gezeigt werden. Dies wird Beatrix nun nicht mehr begleiten können.

Beatrix war uns Kollegin, Freundin, Mitstreiterin, Ratgeberin und Weggefährtin – nicht nur auf zahlreichen Dienstreisen, im Zug und auf Tagungen. Im Gespräch war sie ungewöhnlich zugewandt und optimistisch, im Austausch offen, wertschätzend, interessiert und hilfsbereit. Mit vielen von uns hat sie entscheidende Recherche-Puzzlestücke geteilt, die hilfreiche Anstöße gaben.

Sie war eine vorbildliche Wissenschaftlerin, eine präzise wie auch scharfsinnige Rechercheurin und hatte trotz manch widriger Umstände immer Freude an ihrer Arbeit und ihren Aufgaben. Ihre fröhliche Art, ihre helle Stimme und ihr Lachen werden uns fehlen.

Beatrix Piezonka ist am 24.10.2019 nach kurzer schwerer Krankheit gestorben. In großer Dankbarkeit und tiefer Verbundenheit werden wir sie in Erinnerung behalten.

Heike Krokowski und Miriam Olivia Merz